Position zum assistierten Suizid

Zum Umgang mit dem Wunsch nach assistiertem Suizid

Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus 2020

Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar des Jahres 2020 geurteilt, dass  „das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) […] als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ beinhaltet (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 26. Februar 2020
– 2 BvR 2347/15 -, Rn. 1-343,).

Demnach kann jede:r Mensch zu jederzeit den Wunsch nach einem assistierten Suizid äußern und verfolgen, so auch in der Hospizarbeit.

Haltung notwendig

Um die daraus erwachsenden Folgen für den Verein insgesamt und konkret jede:n Hospizbegleiter:in fassen und im Einzelfall darauf reagieren zu können, hat eine AG aus Ehrenamtlichen Hospizbegleiter:innen, Vorstandsmitgliedern und Koordinatorinnen ein Positionspapier entwickelt, das Sie hier herunterladen können.

Das Positionspapier im Wortlaut

  1. Gestaltung des Lebensendes als medizinische und gesellschaftliche
    Aufgabe
    Die Behandlung, Betreuung und Begleitung von Menschen, die mit dem
    eigenen Sterben konfrontiert sind, müssen zentrale Aufgaben der Medizin und
    der gesamten Gesellschaft sein. Sie erfordern einen hohen Respekt vor der
    Würde und dem selbstbestimmten Willen der betroffenen Personen und
    bedeuten eine große ethische Verantwortung. Ihre Erfüllung muss von den
    Prinzipien der Palliative Care geprägt sein.
    Gemeinsam mit den großen Fachverbänden und Gesellschaften wie der
    Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP, dem Deutschen Hospiz-
    und Palliativ Verband (DHPV) u.a.m. tritt der Ambulante Hospizdienst
    Lebenszeiten Wuppertal e.V. nachdrücklich dafür ein, dass der Staat und die
    Gesellschaft alles Erdenkliche tun, damit das Leben bis zuletzt und damit auch
    das Sterben selbstbestimmt und in Würde erfolgen können. Der Staat und die
    Gesellschaft dürfen nicht darin nachlassen, die dafür notwendigen
    Bedingungen zu fordern, zu schaffen und zu erhalten.
  2. Zulässigkeit von Sterbewünschen
    Sterbewünsche werden in der Palliativ- und Hospizversorgung häufig
    geäußert. Ein offener und respektvoller Umgang mit diesen Wünschen gehört
    unverzichtbar zu den Aufgaben aller, die an der Palliativversorgung beteiligt
    sind. Suizid und Suizidbeihilfe sind rechtlich zulässige und im Einzelfall auch
    ethisch vertretbare Möglichkeiten. Es bestehen jedoch kein Rechtsanspruch
    darauf und keine Verpflichtung, Beihilfe zum Suizid zu leisten.
  3. Schutz vor Fremdbestimmung
    Schwerkranke und sterbende Menschen befinden sich häufig in schwierigen
    Situationen und sind deshalb besonders verletzlich. Bei der Auseinander-
    setzung mit Sterbewünschen ist die Gefahr für Fremdbestimmung groß. Das
    muss kritisch mitbedacht werden. Diese Menschen müssen davor geschützt
    werden, dass von ihnen geäußerte Wünsche unkritisch erfüllt werden,
    insbesondere wenn Hinweise darauf bestehen, dass diese nicht
    freiverantwortlich, wohlerwogen und nachhaltig sind.
  4. Alternative Möglichkeiten zur Suizidprävention
    Statt vorschnell einen Todeswunsch als konkrete Handlungsaufforderung zur
    Unterstützung durch Suizidbeihilfe o.ä. zu verstehen, müssen der betroffenen
    Person die verschiedenen Therapieziele und die Vielzahl der zur Verfügung
    stehenden alternativen Optionen verständlich erläutert und angeboten werden.
    Dazu gehören neben einer bestmöglichen Beratung und hospizlich palliativen
    Versorgung mit dem Ausschöpfen leidensmindernder Medizin u.a. auch die
    Möglichkeiten:
    – des Nichtbeginns oder Abbruchs medizinischer Behandlungen;
    – eines freiwilligen Verzichtes auf Essen und Trinken;
    – einer palliativen Sedierung bei entsprechender Indikation
  5. Vorausverfügungen
    Es ist hilfreich, wenn sich Menschen rechtzeitig Gedanken über diese Fragen
    und entsprechende Regelungen für ihre eigene Zukunft machen. In diesem
    Sinne sollten die Erstellung von Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten
    sowie Maßnahmen zur gesundheitlichen Versorgungsplanung (Advance Care
    Planning, ACP) gefördert werden.

Auf der Basis der oben genannten Punkte geht der ambulante Hospizdienst
Lebenszeiten Wuppertal e. V. folgendermaßen mit Begleitanfragen zum assistierten Suizid um:

  1.  Es ist Aufgabe des Hospizdienstes Lebenszeiten Wuppertal e.V. (seiner
    ehren- und hauptamtlich Mitarbeitenden) schwerkranke und sterbende
    Menschen zu begleiten und ihre Symptome zu lindern.
  2. Wir unterstützen nach Kräften die Möglichkeiten der gesundheitlichen
    Vorsorgeplanung (Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, ACP, Notfallpass).
  3. Wir erkennen an, dass es Menschen gibt, für die Sterben eine gewünschte
    Perspektive und Lösung sein kann. Wir stellen uns gemeinsam mit den
    betroffenen Personen der Auseinandersetzung mit Sterben und Tod. Dabei
    berücksichtigen wir, dass Sterbewünsche nicht immer Suizidwünsche sind,
    sondern auch Ausdruck existenzieller Not sein können.
  4. In Gesprächen versuchen wir zu erfahren, wie die betroffene Person ihre
    Lebenssituation empfindet und was dem Sterbewunsch zugrunde liegt. Auch
    bei anhaltendem Sterbewunsch bleiben wir an der Seite der Menschen.
  5. Wir weichen Gesprächen über Suizidwünsche nicht aus. Das Team von
    Lebenszeiten Wuppertal e.V. klärt über die Vielzahl alternativen Möglichkeiten
    auf (siehe Vorwort).
  6. Es gehört nicht zu den Aufgaben der Mitarbeitenden des Hospizdienstes
    Lebenszeiten Wuppertal e. V., von sich aus die Beihilfe zum Suizid anzubieten
    und anzusprechen. Sie wird seitens unseres Vereins weder beworben noch
    angeboten. Wir unterstützen nach Kräften die Möglichkeiten der
    gesundheitlichen Vorausplanung.
  7. Wenn im Einzelfall jedoch eine Person bei fortgeschrittener Erkrankung den
    Sterbewunsch hat und einen assistierten Suizid plant, lassen wir sie dabei
    nicht allein, sondern begleiten sie:
    – Es geht ausschließlich um die Begleitung von Menschen im Sinne der
    Hospizbewegung. Wir lassen den Menschen in der letzten Lebensphase nicht
    allein, wir schenken ihm Aufmerksamkeit und Zeit. Es geht nicht um eine
    Hilfestellung zur Durchführung des assistierten Suizids.
    – Ehrenamtlich oder hauptamtlich tätige Mitarbeitende können zu keiner Zeit
    dazu verpflichtet werden, eine Begleitung bei der Durchführung eines
    assistierten Suizids zu übernehmen oder fortzuführen. Das Mehraugen-prinzip
    sichert eine breite Entscheidungsbasis und entlastet die einzelne Person.
    – Wenn die Begleitung eines Menschen auf dem Weg zum oder beim
    assistierten Suizid zu bedenken ist, wird diese Entscheidung darüber das
    Ergebnis einer kollegialen Beratung unter den Koordinatorinnen
    und der jeweiligen ehrenamtlichen Person sein.
    – Im Bedarfsfall ist eine ethische Fallbesprechung zur Unterstützung in
    Erwägung zu ziehen.
    – Ist die Begleitung beendet (auch wenn diese vor dem durchgeführten Suizid
    endet), erfolgt eine kollegiale Reflektion oder gegebenenfalls eine Supervision
    der Koordinatorinnen mit der ehrenamtlichen Person.